Die Brennerbande, Teil 31


"Rüsterkotze," flüsterte Tiscio und ging, gefolgt von seinen Freunden, auf den Platz hinaus. Malandro zog ihn am Ärmel. "Selten, dass ich mir zu gut angezogen vorkomme."

"Wir fallen hier auf wie ein Fisch im Gresgorgraben."

"Wir sollten uns auch an den Rand begeben. Hat einer Geld dabei? Die schenken hier bestimmt jedem was aus." Skimir ergriff die Initiative und ging mit so viel Mut und Selbstverständnis, wie er aufbringen konnte, zur nächsten Trinkhalle, auf der anderen Seite von der, auf deren Tresen sich bereits Kargerheim lehnte.

"Mhm?" Mehr brachte der grauhaarige mit dem breiten Kopf in seinem Kabuff nicht hervor. Die beiden Trinker am Laden hatten den Jungs bereitwillig Platz gemacht, als sie sich zum Fenster vorgeschlichen hatten. Der eine hatte ein widerliches Lächeln zur Schau getragen, seine fehlenden Zähne gezeigt und sich das Gebräu vom Mund gewischt. Der andere betrachtete sie nur abschätzend.

"Drei Bier." Malandro, der tatsächlich immer Geld dabei hatte, wenn er es nicht gerad verspielte, lehnte sich mit einem, wie er hoffte, forschen Lächeln auf das Fensterbrett.

"Mhm," war alles, was der Besitzer zur Bestätigung von sich gab. Er drehte sich zur Seite, nahm drei Flaschen, köpfte die Kronkorken mit einer geübten bewegung zum Flaschenöffner unter seiner Fensterbank und reichte sie raus, nachdem er das Geld in der Schale gesehen hatte. Die Feldstraßler kannten das Etiquet auf den Flaschen aus den Händen von Betrunkenen, die sich in Hauseingängen zusammengerollt hatten. Die Marke war so billig, dass die Brauerei keine Werbung dafür machte. Sie schmeckte auch so. Aber sie war stark und die Jungs drehten sich aus dem Licht, damit man ihre verzerrten Münder nicht sehen konnte, nachdem sie getrunken hatten.

Sie wollten sich mit den Flaschen in der Hand schon auf den Weg machen, als der Wirt zum ersten Mal seine Lippen auseinander bekam.

"Flaschen bleiben hier." Sie sahen sich erstaunt an, aber nach wenigen Augenblicken wurde ihnen klar, dass das Vertrauen, das noch in der Neustadt dafür sorgte, dass Trinkhallenbesitzer die Flaschen mit nach Hause gaben und die Käufer sie im Tausch gegen neue wieder zurücklieferten, hier nicht fruchten würde. Keine Ahnung, warum die Ingener Flaschen klauten, aber sie wußten, dass sie sich eben verraten hatten.

Das Lächeln auf dem Gesicht des Grinsenden nahm an Gehässigkeit zu. Der andere trank demonstrativ aus seiner Flasche. Drei Straßen weiter rumpelte gerade die Schiene unter dem Gewicht des Dampfwagens. Trotzdem meinten sie deutlich das geraschel von Füßen hinter sich zu hören. Sie begannen, das Gesöff in sich hineinzuschütten. Wenn sie schon Ärger bekamen, dann wenigstens nicht, weil sie die Flaschen mitgehen ließen oder zerschlugen, obwohl sie als Waffen vielleicht nützlich gewesen wären.

Und mit diesem Gedanken und der Gewißheit, dass sich in den Schatten was zusammenbraute, wußten sie auch, warum die Ingener Flaschen stahlen. Mit revoltierendem Magen, einem unangenehmen Geschmack im Mund un einem einsetzendem Schwindelgefühl gaben sie ihre Flaschen ab und versuchten sich, so gut es eben ging, neben der Trinkhalle in die Schatten zu drücken.

So dauerte es auch nicht lange, bis sich ein schmächtiger, gebückter Junge aus einem Hauseingang knapp vor ihnen schälte. "Hey. hat euch das Bier nicht geschmeckt."

"Ging so." Mit dem sicheren Gespühr für den ungünstigsten Moment, die Gesprächsführerschaft zu übernehmen, antwortete Tiscio. Malandro konnte hinterher nicht mehr sagen, warum er es geschehen ließ, aber mit einem deutlichen Gefühl, dass es jetzt nur noch bergab gehen konnte, verfolgte er die sich entwickelnde Katastrophe.

"Unser Bier scheint euch nicht zu schmecken."

"Na und? Zu bitter." Skimir packte seinen Freund an der Schulter, während Malandro immer noch in faszination erstart blieb.

"Was?" Tiscio blickte sie kurz an.

"Was wollt ihr hier?"

"Nur mal was trinken."

"Ach, seid ihr Babys noch zu klein, um zuhause was zu kriegen?"

"Babys? Von dir Zwerg."

"Du nennst mich Zwerg?" Der Junge ging auf Tiscio zu und schubste ihn mit seinen schmierigen Händen. "Du Wichser nennst mich Zwerg?"

Noch bevor Tiscio zurückschubsen konnte, zog Skimir ihn zurück. "Nicht hier, nicht jetzt."

Tiscio ballte seine Fäuste.

"Du bist zu klein. Mit Kindern schlage ich mich nicht." Damit ließ er sich widerstrebend von Skimir wegzerren.

"Ach. Du bist feige. Schwanz einklemmen und wegrennen." Dann brüllte er über den ganzen Platz: "Seht mal, da läuft ein feiger Gnom. Knollennase, Riesenhase, hopp hopp hopp ins Loch." Und das brachte das Fass zum Überlaufen. Die Gnome waren die Gnemianer, die sich hinter ihrer schwarzen Magie versteckten. Sie waren der Feind, den die Xpochler gerne noch vor den Hügelstättern niedergeworfen hätten.
s gab Grenzen, selbst in den Banden, wie weit man jemanden beleidigen durfte. 'Gnom' war auf jedem Fall jenseits dieser Grenze. Tiscio drehte sich mit einer Geschwindigkeit um, die Skimir und Malandro überraschte. Der kleine hatte wohl gemeint, dass er auf den kommenden Angriff vorbereitet sein würde, aber auch ihm blieb keine Zeit, sich ernsthaft gegen die nun kommenden Schläge zu verteidigen. Er wurde am Hals und im Bauch getroffen und schließlich mit einem Tritt gegen das Schienbein zu Fall gebracht. Tiscio schnaufte vor Wut. Aber er hatte keine Zeit sich über seinen schnellen, leichten Sieg zu freuen.

Die Kinder aus der Feldstrasse, 02